Stand der Dinge

Mar 20, 2020

Animismus in Design

Hintergrund

Zum Projekt inspiriert wurde ich durch drei spezifische Begebenheiten.

Japan Zwischen Januar und Februar 2000 durfte ich für einige Wochen in Tokyo verbringen. Nebst anderen kulturellen Eigenheiten, faszinierte mich vor allem die sichtbaren Ausprägungen des Shintoismus. Weiterhin bewunderte ich den liebevollen Umgang mit öffentlichem Raum. Ich stellte eine erste gedankliche Verbindung her und versuchte mich in der Folge in den Shintoismus und später den Animismus einzulesen.

Animismus als relationale Epistemologie Ein besonderer Meilenstein auf diesem Weg war für mich das Paper “Animism” Revisited - Personhood, Environment, and Relational Epistemology von Nurit Bird-David. Durch den Text konnte ich Animismus als Wissens- und Verständnisrahmen verstehen, welcher das nicht-menschliche für soziale Beziehungen öffnet - von der Subjekt-Objekt Dichototmie weg, hin zu einer flachen Ontologie.

Keramik und Elektroschrott In meiner persönlichen Biografie gibt es zwei Eckpunkte, welche mein Empfinden gegenüber dem Materiellen stark beeinflusst haben. Meine Mutter hatte Keramik studiert und einen eigene Werkstatt im Haus in welchem ich aufwuchs. Als Kind konnte ich so Aspekte der Handwerkskunst miterleben und was es heissen kann, ein Objekt mit den eigenen Händen zu erschaffen.

Viele Jahre später durfte ich für einige Monate im Elektroschrott-Recycling aushelfen. An diesem Ort der langen Kette von Produktion, Transport und Verbrauch von Unterhaltungselektronik wird die Materialität von Elektro-Schrott richtig spürbar. Die Erfahrung ist ganz anders, als die sonst so reibungslose, fast ätherische, welche sich nach einem Neukauf eines Smartphones einstellt. Einige Jahre später, durfte ich als wiss. Assistent in einem Projekt zu Elektroschrott mitwirken, welches mein Verständnis für das Thema weiter geschärft hatte.

Aus diesen Ereignissen nehme ich ein tieferes Verständnis für den Wert der Dinge, aber auch deren Komplexität mit.

Fragestellung

Ich fragte mich schlussendlich, warum können wir solch einen liebevollen Umgang nicht in der Technologie haben, woraus die Fragestellung entstand, mit welcher ich mich auf das Studium beworben habe:

I’m interested in the design practice and materiality of animism. I want to inquire, if a translation into our own practice, with a focus on digital technology, is possible.

Die Fragestellung überarbeite ich laufend ist aber definitiv Gegenstand von Kritik. Derzeit befinde ich mir irgendwo hier:

How can practices of care for our companion objects, as exemplified by shinto practices, be applied to consumer electronics and to what effect?

Theoretischer Rohbau

In diesem ersten Semester waren meine grössten Schwierigkeiten:

  1. die Begründung, warum ich mit Animismus arbeiten möchte
  2. die Übersetzung dessen, was mich am Animismus interessiert, in einen dem Design verständlicheren Diskurs
  3. einen guten Use Case zu finden, in welchem ich meine Hypothese und Fragestellung angehen kann

Das erste Problem ging ich an, indem ich als erste Mentorin Luiza Prado beigezogen hatte. Sie ist aktiv im Themenfeld decolonizing design. In erster Linie habe ich gelernt, dass ich spezifischer argumentieren muss: Welcher Animismus? Was genau im oder am Animismus interessiert micht oder ist dem Projekt zudienlich?

Zum zweiten Problem kam ich, weil ich mit dem mir erarbeiteten Vokabular noch zu weit weg vom Publikum war. Das Publikum, das sind in diesem Falle noch meine Peers und die Dozenten am Studium. Zu Beginn weg hatte ich mit dem Begriff der personhood argumentiert um Objekte auf eine ontologisch gleichwertige Ebene zu ziehen. Um diese Verständnissschwierigkeiten zum umgehen, versuchte ich die im ersten Problem erarbeiteten Lösungsansätze in einen anderen Diskurs zu übersetzen. Meine Auseinandersetzung mit dem new materialism und dem non-human turn kam mir hier zu gute. Auch ein kurzer Ausflug in die policy making oder Legalität von nicht-menschlichen Entitäten war fruchtbar.

Mein derzeitiger argumentativer Ansatz besteht aus einer Referenz auf die Akteur-Netzwerk Theorie sowie dem Paper Ontological Designing von Anne-Marie Willis.

Das dritte Problem, der Use Case, hat sich im Gespräch mit meinem anderen Mentor Robert Lzicar ergeben. Wenn er nicht darauf bestanden hätte, wäre ich wohl noch länger in der Theorie verweilt. Zuerst wollte ich dem Mobiltelefon nachgehen, da ich mit diesem Objekt aus meiner Arbeit am Times of Waste Projekt vertraut war. Eine ähnliche Studie am Head in Genf hat mich jedoch zweifeln lassen. In einem zweiten Anlauf haben wir uns auf die Apple Airpods geeinigt.

Wie Weiter

Ich denke, der Schule ist es wichtig, dass ich erst mal beweise, dass ich Feldforschung betreiben kann um daraus weitere Schlüsse zu ziehen. Auf Juni hin, muss ich den Stand meiner Forschung aufbereiten und dann präsentieren. Die Kompetenzen die aufzuzeigen sind:

Dazu habe ich in einer kurzen schriftlichen Arbeit (7500 Zeichen) und einem 20 minütigen Vortrag Gelegenheit. In zweiter Linie sollte ich bis dann meine Wünsche, Fragestellung, sowie den Use Case zusammen bringen. Für mich persönlich besteht derzeit die Diskrepanz zwischen dem Stand der Theorie, der praktischen Forschung am Use Case sowie den Anforderungen der Schule - welche zwar alle drei schon vorangetrieben wurden, jedoch noch nicht zusammenkommen.

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