Vorbereitung und Zusammenfassung Gedanken Colloquium 3

Im Gespräch mit Julia Geiser sind wir mein Forschungsvorhaben durchgegangen und haben die Dinge seit C2 Revue passieren lassen.

Punkte die besprochen oder angerissen wurde

Ich möchte in der Folge einige dieser Punkte angehen sowie weitere wichtige Gedanken sammeln.

Relevanz der Auseinandersetzung mit Sprach-/Assistenz-Technologien

Es gibt deren zwei Relevanzen die zu berücksichtigen sind.

  1. Ökologischer Impakt gepaart mit Adaption der Technologie

Sprachassistent-Technologien, entweder als Applikation auf dem Smartphone oder als eigenständiges Gerät sind eine der am schnellst wachsenden Technologien derzeit1. Sprachassistenten sind materiell und in Sachen Software in komplexe Ökosystem eingebunden. Dabei werden in Produktion, Betrieb und Entsorgung enorme Ressourcen gebraucht, und der Planet schwer belastet. Ein Fakt welcher von GAFA2 nicht gerne angesprochen wird, wie aktivistische Projekte aufzeigen konnten3. Die Adaption von Sprachassistenz-Geräten ist seit der Covid-Pandemie stark angestiegen4.

  1. Design-Narrativ/Imagination von Sprachassistenz-Technologien

Was ein Sprachassistent sein kann, dessen Imagination und Möglichkeitsraum, wird derzeit von GAFA vorgegeben. Das bringt ein grosses Problem mit sich. Ich bin mir sicher, dass Google und Amazon grossartige Forschung betreiben, deren Ergebnisse jedoch nicht relevant für die jeweiligen Businessmodelle sind. Als Profit-getriebene Unternehmungen muss sich das heere Ziel der Welt-Verbesserung dem finanziellen Gewinn unterstellen.

Das dürfen Sie je nach politischer oder persönlicher Haltung skandalös, einigermassen angemessen oder zumindest unvermeidlich finden.5

Das heisst, dass diese Technologien derzeit vor allem für Unterhaltungszwecke, als Gadget und an Menschen mit einem gewissen Einkommen vermarktet werden, für Einsatzmöglichkeiten welche gut über die bestehende Technologie-Infrastruktur (Laptop, Smartphone, Smart TVs, etc) in den Haushalten abgedeckt werden könnte.

Aussen vorgelassen aber mitgedacht sind die beiden Problemenkomplexe von Sexismus und Racial Bias in Sprachassistenz-Technologien und deren nahestehende Algorithmen und künstliche Intelligenzen.

Es stellt sich also die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser Technologie, welche einen dermassen negativen Impakt auf den Planeten sowie soziale Probleme mit sich bringen.

Und jetzt?

Ich bin der Relevanz einer solchen Auseinandersetzung nach dem Colloquium 2 in drei weiteren Interviews nachgegangen.

Digital technology in the anthropocene must be driven by necessity and play.

Ich wollte der Frage nachgehen, welche Relevanz das Sprechen mit einem Computer hat. Als Vorbereitung hatte ich mich mit den Design Justice Principles sowie dem Disability und Design Diskurs auseinandergesetzt.

Power reproduces itself through the stories about technology design that we center (design discourse); who we pay to design and develop digital technologies (employment inequity); the imagined ‘end users’ for whom we design the majority of digital technologies (design benificiaries); the affordances, features, presets, intentional and unintentional biases that we encode into digital technologies (encoded values); the inclusion and exclusion of various kinds of people from the places and spaces where we design digital technologies (design sites); the allocation of decisionmaking power over the digital technologies in our lives (governance), and more.6

Vor allem innerhalb der Arbeit mit Behinderungen und Technologie wird eine Sinnhaftigkeit augenscheinlich. Menschen mit Behinderungen sind nicht early adopters von Technologien sondern massgeblich an deren Entwicklung und Innovation verantwortlich. Ein kurzer Augenschein bei GAFA macht ersichtlich, dass das Thema Disability teilweise nicht mehr als eine Randnotiz wert ist. So wird der Komplex Sprachassistenz und Behinderung bei Google auf einer einzelnen Seite als nice-to-have abgehandelt. Amazon betreibt zwar ein eigenes Disability Lab und hat viele Resourcen online, jedoch konnte der Rolf Roth vom SBV ein zum Test gekauftes Amazon Echo Gerät nicht aufsetzen, da ein Audio-Captcha fehlte - was ja auch etwas aussagt.

Als letzten Punkt, aber erst als loser Gedanke vorhanden, möchte ich die Wichtigkeit von Gesprächen und vom Sprechen aus psychologischer Sicht angehen. Das Sprechen hat schon seit längeren seinen Weg in die Therape gefunden und kann unter Umständen auch in Selbsttherapie heilsam wirken7. Aufs wesentliche reduziert scheint eine gewisse Dialoghaftigkeit besonders wichtig zu sein, ein Fakt welcher sich auch die dutzenden von Therapie-Bot-Apps zu Nutzen machen. Mit Sprachassistenzen sind derzeit noch keine Dialoge zu führen. Deren Features konzentrieren sich vor allem auf Dinge, die auch mit anderen Computern schon machbar sind; Suchanfragen, wie wird das Wetter, Musik hören, Timer stellen und manchmal das Licht abschalten.

Das heisst eigentlich, dass einer der schönsten und wichtigsten Dinge der menschlichen Kommunikation, der Dialog, nicht berücksichtig wird. Ob das aus technischen oder unternehmerischen Gründen so ist, kann ich derzeit nicht beurteilen.

Ich habe in der Folge für den Open-Source Assistenten mycroft8 Joseph Weizenbaum’s ELIZA9 umgesetzt10. ELIZA war ein früher Chatbot aus dem Jahre 1964, welcher einen Therapiedialog aufgrund bestimmter Regeln simuliert. Eine Auswertung der Umsetzung für mycroft steht noch aus.

Forschungsfragenkomplex

Aus den vorangestellten Erläuterungen ergibt sich für mich folgender loser Fragenkomplex, dem ich in der Folge nachgehen möchte.

Wie gestaltet Sprachassistenz-Technologie unseren Zugang zur Welt? Welchen Einfluss hat ein voice-user-interface auf unseren Alltag? Was für Machtverhältnisse werden über eine sprachgesteuerte Mensch-Maschinen-Schnittstelle verhandelt? Was ist die Post-Phenomenologie von Sprachassistenten? Wie können wir Sprachassistenten abseits von Unterhaltung und Datenextrakivismus weiter-denken, vor allem bezüglich deren Sinnhaftigkeit?

Modus

Ich möchte diesen Fragen nicht in einer akademischen Arbeit und schon gar nicht in einem unternehmerischen Projekt nachgehen. Zweiteres erschliesst sich aus meiner ideologischen und politischen Haltung gegenüber Technologie und Business sowie den Erkentnissen meiner bisherigen Forschung an Sprachassistenten im Kontext von Unterhaltung und Heim-Automatisierung. Die angegangenen Probleme können nicht mit einem neuen Produkt oder Startup gelöst werden.

Warum ich mit dieser Arbeit jedoch keinen akademischen Weg einschlagen möchte bedarf der Erklärung. Im Kern dieser Entscheidung steht für mich die Notwendigkeit mit dem zukünftig generierten Wissen politisch und imaginativ agieren zu können, im Sinne einer Machtverhandlung. Das heisst, dass die Resultate und Produkte dieser Arbeit nahe am und mit Menschen mit direktem Bezug zu dieser Technologie geschaffen werden müssen. Menschen mit Behinderungen und Menschen welche sich aktiv und kritisch mit dem Status Quo dieser Technologie auseinandersetzen. Ganz im Sinne des Design Justice Zitates von oben also durch Power reproduces itself through the stories about technology design that we center. Ich befürchte, dass ich mich auf einem akademischen Weg innerhalb einer akademischen Blase isolieren sowie viel Zeit und Energie für das akademische Arbeiten brauchen würde. Das wäre insofern kein Problem, sollte ich eine akademische Laufbahn anstreben. Da ich aber schon eine erfolgreiche Karriere als wissenschaftlicher Software-Entwickler habe, ist meine Motivation für eine Laufbahnrichtungsänderung dementsprechend klein.

Ich sehe auch meine Stärke viel eher in der Aufbereitung und Zugänglichkeit von theoretischem Wissen für eine Applizierbarkeit innerhalb pragmatischer Setzungen.

Zum angestrebten Output

Mit diesen Ausführungen strebe ich nun eine digitale Publikation an. Die genaue Ausformung muss schlussendlich noch diskutiert und ausformuliert werden.

Die Publikation soll ein partizipatives, lebendes Dokument werden. Es soll als solches in Zusammenarbeit mit oben angesprochener Zielgruppe kritischen Stimmen und solchen, für welche so eine Technologie existentiell ist, Raum geben. Gleichzeitig soll die Publikation, ganz im Sinne von Software-Carearbeit, als Dokumentation und Kochbuch fungieren. Das heisst, dass nebst Texten auch interaktive Beispiele sowie Anleitungen für den Umgang und die Programmierung mit Sprachassistenz-Technologien eingepflegt werden. Die Publikation oder Teile davon könnten so auch zentraler Inhalt für Folge-Workshops fungieren, in welchen interessierte Menschen einen partizipativen Ansatz für Sprachassistenten kennen lernen können (im Gegensatz zum derzeitigen, welcher rein auf Konsumation beruht).

Fussnoten

Die Fussnoten sind für diesen Eintrag nur als grobe Verlinkungen gehalten.